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Manchmal muss es noch Ültje sein? Aber wann und warum?

Was bedeutet Situative Relevanz von Marken in bestimmten Alltags-Situationen?

 

Um die Veränderung zu erklären, die es heute für Marken so schwer macht, begleiten wir unbemerkt ein fiktives Ehepaar Sven und Inke Neumann bei ihrem gemeinsamen Wochenendeinkauf.

Da wo die Marke situativ relevant wird, ist die Stelle mit  gekennzeichnet: Hier bekommt die Marke SITUATIVE RELEVANZ.

Sven und Inke N. leben mit ihren beiden schulpflichtigen Kindern Paul (8) und Marie (12) in einer Großstadt in NRW. Die N.‘s  gehören zu den besser Verdienenden des gebildeten Mittelstands, sind weltoffen, sportlich, Umwelt- und Ernährungsbewusst. An erster Stelle steht die Familie, inklusive ihres Jack Russell Terriers. Sie verreisen gerne – meistens in Europa – und lieben es, mit Freunden und mit deren Kindern Dinge zu unternehmen, zusammen spielen, kochen, Radfahren und wandern. Sie haben die Grünen gewählt.

Wir begleiten die N.’s bei ihren Samstagseinkäufen. Bei EDEKA, ALDI und LIDL, auf dem Bauernmarkt und später zu Hause online im Internet.

Auf zu EDEKA, den Gemüsebereich umgehen die N.’s zunächst. Später lieber auf den Bauernmarkt, das ist Vertrauen zu den Bauern der Region und das Gefühl, ökologisch unbedenkliche Produkte zu kaufen. Und: Das mit den ausufernden Plastikverpackungen im Supermarkt geht ihnen inzwischen ziemlich auf die Nerven.

Ach, Stopp! Ingwer und frischen Meerrettich brauchen wir aber. Den gibt es auf dem Markt nicht. Den nehmen wir doch bei EDEKA mit. Der ist lose und nicht verpackt.“

Weiter zum Saftregal: Für die Kinder tut’s die Eigenmarke von EDEKA. Gekühlter Blutorangen-Direktsaft. Den trinken die Kinder “supergerne”.

Für das Sonntagsfrühstück für die Eltern etwas Besonderes: für Sven Innocent Orange & Mango, für Inke Innocent Multi Mix rot. Und zwei Edel-Marmeladen der Marke GLÜCK in den kleinen Gläsern, Himbeer und Aprikose. Etwas Besonderes. Nur für das Sonntagsfrühstück. Wer will da nicht mal glücklich sein?

Übrigens: Wasser sprudeln die N.‘s inzwischen selber. Sie wissen aus Ökotest-Ergebnissen im Internet, dass das Leitungswasser ihrer Stadt gesünder ist als viele Marken-Mineralwässer und es fast mehr Mineralien enthält als die meisten der teuren Marken. Die Schlepperei nach Hause haben sie sich abgewöhnt.

Weiter geht’s zum Cerealien- und Müsliregal. Zucker ist für die N.’s ein No-Go! Meldungen über Mineralölrückstände und Acrylamid haben sensibel gemacht. Die schreienden Packungen von Kellog‘s und Nestlé können nicht mehr locken. Über Nestlé wird auch immer wieder kritisch berichtet. Hier kommt keine Marke in Frage.

Die Kids lieben die mit “sehr gut” getesteten Crownfield Flakes von LIDL. Da gehen die N.’ später extra noch hin.

Sven und Inke sind überzeugte mymuesli Abonnenten im Online-Shop geworden. Für Sven ist das SPORT, für Inke das PALEO. Das gehört zum Sonntagsfrühstück.

Brot im Supermarkt? Igitt! Das holen die N.’s auf dem Bauernmarkt oder beim Biobäcker Schüren.“

„Oder doch bei EDEKA? Demnächst, wenn wir wieder selber BURGER machen, dann nehmen wir doch die Eigenmarke von EDEKA PREMIUM Burger Buns aus Brioche Teig mit. Die gibt es nirgendwo sonst.”

Zum Mopro-Regal. Schnelle Entscheidung – gegen die Marke, für die Eigenmarke. Was soll die Marke hier besser können?

  • Butter – EDEKA Bio Eigenmarke
  • Frischkäse – EDEKA Eigenmarke
  • Milch Bio – EDEKA Eigenmarke
  • Joghurt – EDEKA Eigenmarke

 

“Aber halt! Griechischer Joghurt?”

Sven hat in einem Men’s Health Online Beitrag gelesen, dass Joghurt Griechischer Art nicht gleich Original MEVGAL Griechischer Joghurt ist. Der enthält mehr Eiweiß und Fett – das macht den griechischen Joghurt zum perfekten Muskel-Food. Doch der cremige Joghurt kann noch viel mehr. Nicht zu verwechseln mit dem “Joghurt Griechischer Art”.

Sven nimmt für sich noch einen Originalen Griechischen Joghurt mit. Er will etwas für seinen Body tun.

“Schnittkäse in Plastik verpackt? Kommt nicht in Frage”.

Da doch lieber frisch abgeschnitten und in Käsepapier auf dem Wochenmarkt. Obwohl die EDEKA Frischtheke verlockend aussieht.

“Ein bisschen französischen Weichkäse zum Rotwein?” Die Verkäuferin berät immer so nett und lässt auch mal probieren.

Parmesan für die Pasta? Natürlich verpackt mit Herkunftsnachweis, aber natürlich auch die Premium-EDEKA-Marke Parmigiano Reggiano Prodotto Italiano mit EU-Siegel.

Ketchup? EDEKA hatte HEINZ, die Lieblingsmarke der P.‘s ausgelistet. Die Eigenmarke PAPA Joe‘s sollte es ersetzen. Das war echt  blöd! Dann haben sie eine Zeitlang keinen Ketchup bei EDEKA gekauft. Dann muss Sven halt zu REWE – ein beachtlicher Umweg, nur für das eine Produkt HEINZ Ketchup. So hat Sven mal gesehen,  was REWE sonst noch zu bieten hat. Auch gut!

Was ist mit Pasta?

Barilla? Großkonzern-Marke! Buitoni? Großkonzern-Marke 3 Glocken?

Also wieder die EDEKA Premium-Eigenmarke Penne Rigate Prodotto Italiano?

Warum nicht? Oder doch 3 Glocken Spiralen, die die Kinder so gerne essen. Die Wahl fällt dieses Mal doch wieder auf 3 Glocken. Wegen der Kinder. Und wegen….sie wissen es nicht so richtig, warum jetzt in dieser Situation. Da spielen Erinnerungen und Emotionen mit.

Noch ein Schlenker zum Getränke Regal. Sven braucht noch TONIC für seinen gelegentlichen GIN.

“Um Himmels willen, hier keine Eigenmarke!” Man liest so viel über den neuen GIN-Genuss. Da muss es THOMAS HENRY sein. Hier bekommt Sven seine 1 Literflasche, die für den Spieleabend mit den Freunden reicht.

Bier? Na ja, er hat einen Kasten Bitburger im Keller. Das gab‘s letztes Mal im Getränkemarkt zum Aktionspreis. Bitburger, Krombacher, Bitburger….eigentlich immer das, was gerade am günstigsten ist.

Aber mal was Besonderes für den Jungs-Abend?

ASTRA Kiezmische. Das wär es doch. Ein 6er Pack. Den kann er nach Hause tragen. Als Gag. Die geile Werbung bekommt Sven immer Online über Instagram. Immer schräg und oft auch krass!

Nüsse? Für den Jungsabend?

“Große Packung Ültje geröstet und gesalzen? Och nö,  EDEKA GUT & GÜNSTIG für € 0,79 gegen € 1,99 für 200 g Ültje? Den Unterschied merken die Jungs gar nicht. Kommen eh ohne Verpackung in eine Schüssel. Und die essen die ja nicht, die fressen die!”

Na ja ok, für unser gemütlichen NETFLIX Abend zu zweit müssen es dann besseren Mixnüsse sein.Aber mal ehrlich. Was sieht besser aus als die EDEKA Premium-Marke?

 

Ültje jedenfalls nicht.

 

Ültje? Ja, das letzte Mal gekauft bei METRO. Da standen sie auf einer großen Aktionspalette. Da musste man spontan zuschlagen. Lang ist’s her! Manchmal muss es doch noch Ültje sein! Ültje gehört ja irgendwie auch zur Kindheit ”

Kaum steh’ ich hier und singe,
kommen sie von nah und fern
und fangen an zu knabbern,
sie hab’n halt Ültje gern.
Sie singen und sie tanzen,
sie lachen und sie schrei’n
und wollen noch mehr Ültje,
die leck’ren Knabberei’n.
Komm auch Du, greif’ zu,
komm auch Du, greif’ zu!

Nutella 450g + 50g zum Superpreis € 1,99 auf der Aktionspalette: Da kann man (noch) nicht vorbei gehen. Die Kinder wollen es. Aber wegen des Palmöls und der Zerstörung des Regenwaldes steht Nutella bei den N.’s auf der Kippe. Aber manches kann man nicht so einfach ersetzen. Der Geschmack ist leider bei den Kindern unersetzbar.

Sonderplatzierung RITTER SPORT Schokolade: Klar nehmen wir mit für den Klassenausflug von Marie. Quadratisch. Praktisch. Gut.

Sonderplatzierung APEROL? Nein. Reizt nicht mehr. Der Sommer ist bald zu Ende. Sprizz ist für die N.’s ein Sommergetränk.

Kein Blick in die EDEKA-Eiscreme-Truhe zum Schluss?

Reizt nicht. „Da gehen wir lieber rüber zu ALDI SÜD. Da holen wir auch noch die Küchenrollen. Und Tandil Flüssig Waschmittel.

“Grandessa Chocolate Nougat und Caramel Love Eis für € 2,49 schmeckt lecker.“

Für die Kinder Mini Stieleis 12er Packung – die so aussehen wie kleine MAGNUM – in Schokolade und Frucht für jeweils € 1,79. Im Fernsehen kam ein Test MAGNUM gegen No-Name. Gewinner No-Name. Zu Recht.

So, jetzt schnell noch kurz zum Wochenmarkt. Da treffen Sven und Inke einige ihrer Freunde und Bekannten. Irgendwie ein völlig anderes Einkaufserlebnis. Nostalgisch. Stressfrei. Und man bekommt ein gutes Gefühl. Tolles Gemüse und das leckerste Schwarzbrot bei ihren Lieblingsständen.

Am Nachmittag bestellt Sven noch Online bei AMAZON Prime mit Anlieferung bis Dienstag, das, was er für den Haushalt braucht: Knopfbatterien, LED-Birnen, Dichtungen für die Dusche. Dafür extra in den Baumarkt? Nein danke! Und schon mal Bewertungen lesen bei Staubsaugern. Warum viele Tierhalter wegen ihrer Haustierhaare den Dyson V11 so klasse finden. Trotz Mörderpreis von fast 500€. Vielleicht kaufen sie ihn sich auch. Oder doch einen PET & FAMILY mit Wasserfilter von THOMAS Made in Germany?

Was soll uns diese Beschreibung sagen?

Was müssen Marken tun, um in diesem Relevanz-Umfeld in bestimmten Situationen bevorzugt zu werden und mit einem höheren Preis gegen Discount und Handelsmarke zu bestehen?

Marken-Verantwortliche sollten sich mehr denn je diese Fragen stellen:

  • Was macht das Unternehmen und unsere Marke einzigartig?
  • Ist die Einzigartigkeit überhaupt relevant? Und für wen?
  • Welche Motive sind im Markt vorhanden? Wer? Warum?
  • Für wen ist die Marke einzigartig und relevant?
  • Woher kommen meine Verwender? Wohin gehen sie (auch)?
  • In welcher Situation denkt der Verbraucher an meine Marke? In welcher kommt sie überhaupt nicht in Frage? (Relevanz)
  • Wann ist die Situation, um von meiner Marke angesprochen zu werden und zum Kauf animiert zu werden? (Touchpoints)

 

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Markenpersönlichkeit ohne Glaubwürdigkeit
ist wie ein Mensch ohne Charakter.

Als ich meine Marketing-Karriere bei Unilever Mitte der 1970er Jahre begann, suchte man bei Neuprodukteinführungen nach einem relevanten, noch nicht erfüllten Produktnutzen, begründete ihn durch eine logische Begründung (Reason-Why) und kommunizierte didaktisch z.B. durch einen eindrucksvollen Nutzenbeweis anhand einer didaktischen Demonstration am besten im Links-Rechts-Vergleich (ohne – mit) à la Procter & Gamble oder durch ein möglichst glaubwürdig erscheinendes „Konsumenten-Testimonial“ möglichst mit kräftiger TV-Werbung.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Schönwetter-Markenführung!

Meine erste Positionierungsstrategie, an der ich mitwirken durfte, war Rahmspinat mit dem Blubb frischer Sahne von IGLO, (den man sehr viel später mit Verona Feldbusch wieder aufleben ließ).

Das war auch die Zeit des TAED-Systems für OMO-reinere Wäsche, des blend-a-med Apfelbisses, der bewies, dass man bei täglicher Anwendung auch morgen noch kraftvoll zubeißen konnte, die Jod-S11-Körnchen (übrigens eine kreative Verkürzung des Phantasie-Begriffs „Sonnenscheinkörnchen“ (S+11 Buchstaben), die gegen die berüchtigte Sittich-Schilddrüsenkrankheit schützen sollten oder das OPEL-Sicherheitsfahrwerk, auf dem man wie auf Schienen fuhr.
Begriffe wie Positionierungsstrategie oder Markenpersönlichkeit gab es natürlich auch schon. Glaubwürdigkeit wurde vom Verbraucher sozusagen unterstellt, wenn sich eine Marke „groß“ in der Werbung herausstellte.

Markenidentität? Markenpersönlichkeit? Der Verbraucher hat es geglaubt und brav gekauft.

 

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Heute floppen bekanntermaßen 70-90% aller Neueinführungen im FMCG- (Fast Moving Consumer Goods) Bereich. Warum eigentlich?

Liegt es an der mangelhaften Markenführung, an schwacher Markenpersönlichkeit an der fehlenden Positionierungsstrategie?

Oder sind wir heute alle übersättigt von Innovationen, die keine mehr sind? Sind wir müde, immer wieder Neues auszuprobieren und dem so genannten Fortschritt atemlos hinterher zu hecheln? Sehnen wir uns danach, das schon Gute und Vertraute vielleicht einfach nur den kleinen Schritt besser zu bekommen? Und dem, was angeboten wird, zu vertrauen?

Warum, so fragen sich viele, wird ein Golf von Generation zu Generation immer größer und warum inzwischen so teuer wie früher ein kleiner Mercedes? Warum brauchen wir das für unser Leben? Warum bleibt dieser „Volkwagen“ kein Volkswagen? So wie der Name es sagt: erschwinglich für das Volk.

Der Verlust der Glaubwürdigkeit von Marken wird für diejenigen, die für Markenführung oder Markenidentität verantwortlich sind, immer brisanter. Das Thema bekommt einen zunehmend größeren Stellenwert in Marketing.

2016 sagten 70% der Verbraucher: Es ist pfiffig, Handelsmarken zu kaufen, weil man gute Qualität zu einem günstigeren Preis bekommt.

Sagten 2006 noch fast 86% der Verbraucher, dass sie ihrer Marke treu bleiben, wenn sie ihr einmal vertrauen und mit ihr zufrieden sind, sind es heute nur noch 46%.

Markenpersönlichkeit braucht Vertrauen.

Zahlreiche qualitative Studien, die mit psychologischen Methoden hinter die inneren Motive der Verbraucher (Consumer Insights) blicken, zeigen in den letzten 10 Jahren eine zunehmende Skepsis und Ungläubigkeit gegen Markenversprechen. Die Glaubwürdigkeit von Marken scheint eine tiefe Krise zu erleben. Vor allem die bisher innovationsfreudigen, gebildeten Zielgruppen (Moderne Performer und Postmaterielle) werden immer skeptischer.

Nutzenüberlegenheits-Versprechen oder gar Alleinstellungs-Behauptungen werden nicht selten von Fokusgruppen mit Spott und Hohn kommentiert. Man ist nicht mehr bereit, Markenversprechen blindlings Glauben zu schenken. Man macht sich über ungelenke Versuche, Überlegenheitsaussagen glaubhaft zu machen, unverhohlen lustig.

Es scheint sich verstärkt eine kategorisch ablehnende Grundhaltung gegenüber innovativen Konzepten aufzubauen, die nicht mit einer Glaubwürdigkeit der Markenpersönlichkeit in Einklang steht.
Die Menschen sind in ihrer Haltung gegenüber Neuem zutiefst misstrauisch geworden.

Misstrauen ist bekanntlich das Gegenteil von Vertrauen.

Kein Wunder, nach Jahrzehnten des generellen Vertrauensverlustes in der Gesellschaft. Man denke an Bereiche wie Politik, Schule, Aktienmarkt, Arbeitsmarkt oder Kirche.

Fleischskandale, Umweltskandale, Bestechungsskandale, Dopingskandale, Politikerskandale, Sexskandale haben ihre Spuren hinterlassen.

Wem kann man eigentlich noch vertrauen? An wem soll man sich orientieren:

– am Papst oder den Akteuren von Germany‘s Next Topmodel
– an Herrn Müller von Volkswagen oder Günther Jauch?
– an Volkswagen, Samsung , Apple, der DEUTSCHEN BANK, oder ALDI?

Kann man einer Marke noch trauen, die die Verwendung von genmanipulierten Rohstoffen nicht offen kommuniziert?

Kann man der Bahn AG oder den Energiemonopolisten, den Banken trauen?

Ich als Verbraucher beginne langsam zu streiken, will nicht mehr mitspielen, mich nicht mehr vor den Karren spannen lassen.

Und wie reagiert die Markenartikelindustrie?

Mit Online-Präsenz auf Facebook, Instagram oder Youtube, als ob dadurch authentische Markenidentität entstehen könnte.

In Fokusgruppen beschreiben uns Verbraucherinnen HIPP als leuchtendes Beispiel für Glaubwürdigkeit. „Würde dieser Mann seinen guten Namen aufs Spiel setzen, wenn er nicht von seiner Produktqualität uneingeschränkt überzeugt wäre?“ Einem derartigen persönlichen, authentischen Bekenntnis glaubt man bedingungslos. Es wirkt wie ein Faustpfand der Ehre. Wehe, die Glaubensbereitschaft wird eines Tages enttäuscht.

Kein Verbraucher möchte mehr von hochfliegenden Perfektions-Klischees niedergehalten werden. Sympathie und Glaubwürdigkeit erzeugt nur, was authentisch und menschlich ist.

Marken, die ständig versuchen, dem Zeitgeist hinterher zu hecheln und sich nicht treu bleiben, werden immer härter von ihren treuen Kunden abgestraft.

Wer heute dem Verbraucher zuzuhören weiß, blickt in ein verunsichertes Herz. Ein Herz das geradezu nach Vertrauen schreit.

Nur noch wenige besitzen das Schlüsseltalent des Marketings, das heute zunehmend gefordert ist: zuhören können und den Wunsch nach Glaubwürdigkeit erspüren.

Positionierungsstrategie und daraus entstehende Kreativität des strategischen Denkens darf nicht mehr nur bedeuten, immer schneller kurzlebige Innovationen auf den Markt zu werfen.

Vielmehr geht es heute verstärkt darum, die gesellschaftlichen Verschiebungen im Rahmen des allgemeinen Vertrauens- und Orientierungsverlustes für die eigene Markenpersönlichkeit und die Markenführung zu nutzen.

Nur Marken, denen man bedingungslos vertraut, erreichen eine starke emotionale Bedeutung im Leben ihrer Zielgruppen. Dann erst ergibt sich Markenführung einer Markenidentität mit Glaubwürdigkeit.

Kommen wir zu meiner These: Viele alte Traditions-Marken haben im Innovationsboom der 80er und 90er Jahre den Anschluss verpasst. Sie sind gnadenlos abgehängt worden von den modernen, trendbewussten, spritzigen Marken der multimedialen Ära.

Wir erkennen in qualitativen Verbraucher-Untersuchungen, wie stark Verbraucher wieder auf vertrauensbildende Informationen wie:

  • Tradition seit 100 Jahren
  • Familienunternehmen
  • Erfahrung in der dritten Generation
  • Wir bürgen mit unserem Namen
  • Deutsche Herkunft
  • Authentische Herkunft aus Regionen (Allgäu: reine und unverbrauchte Natur; der Norden: Klarheit und Frische; Baden-Württemberg: Genießerkompetenz; aus der Schweiz: leidenschaftliche Verschrobenheit, usw.)
  • Von einer kleinen Manufaktur
  • Konsequente Beschränkung auf einen Spezialbereich ohne Überdehnung der Kompetenz
  • Deutsche Sprache, etwas unbeholfene Slogans statt aalglatter internationaler Slogans à la (amerikanischer) Konzernmarken

Die Verbraucher reagieren auf Glaubwürdigkeits-Aussagen (Reasons to believe) wie auf Leuchttürme im bedrohlichen Nebel. Das ist die Chance für gewachsene Markenpersönlichkeiten.

Die Wurst-Marke Rügenwalder hat offensichtlich vieles richtig gemacht. Sie hat auf ihre Tradition und Herkunft gebaut, hat ihre Kernkompetenz bei Teewurst und pommerschen Spezialitäten gegen alle Mitbewerber manifestiert, hat behutsam Innovationen in ihre eigene Markenbedeutung (Tradition aus Rügenwalde in Pommern) integriert.

Sie hat dann den Trend weg von zu viel Fleischverzehr erkannt und hat sich eine neue Positionierungsstrategie erarbeitet.

Neben deftigen Fleischprodukten bietet die Marke das erste innovative Vegane Wurstsortiment in einem durch Skandale erschütterten Markt.

Markenpositionierung, und Markenführung leicht gemacht? Mitnichten! Vorsicht vor Überdehnung der Kompetenz!

Die Chance für Inhaber von gewachsenen Traditions-Marken sollten ihre Marke im heutigen Umfeld überprüfen und sie zielstrebig ergreifen.

Die Zeit ist reif für glaubwürdige Comebacks von Traditionsmarken.

Gehen Sie schrittweise vor:

  1. Untersuchen Sie mit valider qualitativer Verbraucherforschung den Markenkern und vor allem die emotionalen Bedeutungen, die Ihre Traditionsmarke bei den relevanten Zielgruppen – immer noch – auslöst.
  2. Entwickeln Sie eine Marken-Vision basierend auf den gefundenen Vertrauenswerten der Marke, die glaubhaft in allen relevanten Abteilungen und Ebenen des Unternehmens in der Wirklichkeit auch „gelebt“ werden kann. Der Verbraucher möchte heute die Glaubwürdigkeit des Unternehmens hinter der Marke erkennen können.
  3. Entwickeln Sie mit kompetenten Markenberatern trennscharfe alternative Positionierungs-Konzepte, die in der Lage sind, den stärksten Kauftreiber für Ihre Markenpersönlichkeit herauszufiltern, der heute Kaufbereitschaft auslöst.
  4. Untersuchen Sie, wie viel Tradition auf der einen Seite und wie viel Moderne auf der anderen Seite Ihre Marke tragen muss, um eine erfolgreiche Markenpersönlichkeit mit Relevanz für heute zu werden, ohne ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen. Beispiele wie Jägermeister, MINI, Sinalco, Leica oder Birkenstock zeigen wie viel Mut und Entschlossenheit für Erneuerung notwendig ist, um Relevanz im heutigen Leben wieder zu erlangen.
  5. Investieren Sie entschlossen und nicht zögerlich, wenn Sie Sicherheit über die Chancen und Risiken einer Marken-Wiederbelebung erarbeitet haben.

Viele halten den Erfinder der Markentechnik Hans Domizlaff für verstaubt und überholt. Sein Zitat ist fast 80 Jahre alt und heute immer noch – oder wieder?- hochaktuell: „Es gibt keine Dauerverbraucher, die einen anderen Kaufanlass anerkennen als den Glauben an die Qualität, die Preiswürdigkeit oder eine langjährige Gewohnheit.“

Vielleicht ermuntern diese Anregungen manche Inhaber „alter Traditionsmarken“ über Chancen einer glaubwürdigen und vertrauensvollen Neubelebung nachzudenken, ihre vertrauensvollen Markenpersönlichkeiten wieder zum Leben zu erwecken.

Michael Coenen
COENENPARTNER
MARKEN-POSITIONIERUNG
Düsseldorf, 09.11.2016

COENENPARTNER ist eine strategische Markenberatung, die sich auf das Thema Markenpositionierung spezialisiert hat und zum Verständnis der Konsum-Motive der Zielgruppen konsequent mit Consumer Insights arbeitet.